Lünen. Bei den „Lüner Gesprächen“ haben Expertinnen und Experten aus Kommunen, Wirtschaft, Bund und Ländern gemeinsam mit der Stadtgesellschaft über Lösungen für die Krise der kommunalen Finanzlage diskutiert. Dabei kam auch das Thema Altschulden wieder auf den Tisch, für das das Bundesfinanzministerium bestätigt hat, dass es zu seinem Angebot aus dem vergangenen Jahr steht. Die nüchterne Feststellung: Das Land Nordrhein-Westfalen hat wie schon bei der finanziellen Beteiligung an der Eingliederungshilfe für Menschen mit wesentlichen Behinderungen nicht reagiert.
Das Aktionsbündnis „Für die Würde unserer Städte“ hat diesen Faden nun aufgegriffen und fordert in einem Statement, dass Bund und Land „einen großen Schritt machen“. Dazu sagt Lünens Stadtkämmerer Dr. André Jethon: „Wir müssen endlich von den Altschulden befreit werden. Es muss dabei auch sichergestellt werden, dass wir nicht sofort wieder in die Verschuldung abrutschen. Dafür braucht es robuste Finanzstrukturen.“ Bei den „Lüner Gesprächen“ habe er betont, dass ein wesentlicher Hebel darin liegt, die Finanzierung von sozialen Leistungen fair zu teilen: „Eine Schlüsselrolle nimmt hierbei die Integration von Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen ein. Die Ausgaben dafür fliegen uns in NRW sprichwörtlich um die Ohren, weil vor allem das Land NRW hieran nichts tut.“
Das sieht auch das Aktionsbündnis „Für die Würde unserer Städte“ so. Die Erklärung des Bündnisses im Wortlaut:
Die finanzschwachen Kommunen in Deutschland sind an einem Punkt, an dem sie nie sein wollten: der Punkt, an dem die Schulden wieder wachsen. In den vergangenen Jahren haben sie Personal abgebaut, wichtige Investitionen in ihre Straßen und Gebäude aufgeschoben sowie freiwillige Leistungen gekürzt, um Schulden zu reduzieren. Mit diesen großen Anstrengungen senkten sie ihre Kreditlast um rund 20 Milliarden Euro. Durch Zinssteigerungen und Kostenexplosion verschlechtern sich die Bedingungen nun aber so, dass die Schuldenkurve wieder nach oben deutet.
Die Kommunen stecken in einer Finanzkrise. Ein Gesamtdefizit von rund sieben Milliarden Euro in den Haushalten 2023 zeigt dies überdeutlich. Auf Bundesebene ist eine vorsichtige Reaktion auf diese Lage zu spüren: Der Finanzausschuss des Bundestags treibt das Thema mit Erklärungen und Anfragen voran. Das zuständige Ministerium kündigte eine Fachtagung zu Kommunalfinanzen für den 5. Juli an und legte Mitte April noch einmal seine Eckpunkte für eine Altschuldenlösung unverändert vor. Es bestätigte damit offiziell, zu seinem Angebot zu stehen.
Nordrhein-Westfalen, das einzige Bundesland ohne Altschuldenlösung, hat sich dazu bisher nicht verhalten. Die Landesregierung kannte die Eckpunkte des Bundesfinanzministeriums bereits im vergangenen Jahr. Dennoch legte sie eine Lösung ohne substanzielle finanzielle Beteiligung des Landes vor und scheiterte damit krachend. Die Verantwortlichen pflegen das Narrativ, der Bund sei daran schuld, und lassen bisher nicht erkennen, dass der für dieses Jahr geplante neue Vorschlag eine große Veränderung mit sich bringt.
Das Aktionsbündnis „Für die Würde unserer Städte“, in dem sich finanzschwache Kommunen aus acht Bundesländern zusammengeschlossen haben (mehr als 8,7 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner), hat daher bei seiner Konferenz in Berlin klare Forderungen an beide Ebenen formuliert:
NRW
Das bevölkerungsreichste Bundesland muss eine Altschuldenlösung vorlegen, mit der es die übermäßigen Liquiditätskredite der Kommunen (mehr als 100 Euro je Einwohner) komplett übernimmt. Der Bund wird anschließend für die Hälfte davon einstehen. Nordrhein-Westfalen hat also die Chance, seine Kommunen von Krediten in Höhe von rund zehn Milliarden Euro zu befreien. Es selbst muss dafür lediglich einen jährlichen Beitrag von 350 bis 500 Millionen Euro einplanen – das ist die Größenordnung, die es vom Stärkungspakt NRW kennt.
Dies ist für die Millionen Betroffenen in Nordrhein-Westfalen dringend erforderlich – und auch darüber hinaus: Andere Bundesländer mit finanzschwachen Kommunen haben bereits Altschuldenlösungen gefunden. Diese entfalten ihre volle Wirkung aber nur, wenn es auch den Bundesanteil gibt. Diesen blockiert NRW mit seinem Verhalten bisher und sollte auch aus Solidarität mit Hessen, Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Brandenburg und dem Saarland endlich den richtigen Weg einschlagen.
Bund
Da die Eckpunkte hinlänglich bekannt sind, muss das Bundesfinanzministerium nun einen Gesetzesentwurf einbringen. Die Lösung wird eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag und im Bundesrat brauchen. Deshalb muss der Gesetzgebungsprozess nun beginnen, damit die Altschulden-Übernahme im Bundeshaushalt 2025 erfolgen kann.
Zukunft
An den Altschuldenlösungen des Bundes und des Landes NRW werden sich die finanzschwachen Kommunen selbstverständlich beteiligen. Und sie werden sich ebenso selbstverständlich mit voller Kraft dafür einsetzen, dass keine neuen Schulden entstehen. Dafür braucht es dann weitere Schritte: eine angemessene Finanzausstattung der Städte und Kreise sowie eine Reform der Förderpolitik. Die Mittel müssen einfach und unbürokratisch abrufbar sein und nach Bedürftigkeit verteilt werden. Bisher landet Fördergeld vor allem bei wohlhabenden Städten und nicht bei denen, die mitten in der kommunalen Finanzkrise stecken.
Text: Stadt Lünen, Bilder: Lüner Infoblog